Wir zeichnen in der Regel auf einem zweidimensionalen Blatt Papier. Um dennoch den Eindruck von Dreidimensionalität zu erwecken, müssen wir einen Weg finden perspektivisch zu zeichnen. Eine Möglichkeit ist die Nutzung der Parallelperspektive. Schaut euch hierzu gerne meinen Blogartikel „Parallelperspektive – Wie du in deinen Zeichnungen einen dreidimensionalen Eindruck erwecken kannst“ an. Doch leider bildet die parallelperspektivische Abbildung nicht die Wirklichkeit ab, was dazu führt, dass sie nicht besonders realitätsnah erscheint. Ich empfehle sie daher als Vorübung! Um einen wirklich erstaunlichen dreidimensionalen Effekt zu erzielen, solltest du die Fluchtpunktperspektive verwenden!

Grundlagen der Fluchtpunktperspektive

Um die Fluchtpunktperspektive eingehend zu verstehen, gebe ich dir zunächst etwas theoretisches Grundwissen.

Die Fluchtpunkte

In der Realität gibt es viele Gegenstände, deren Kanten parallel zueinander verlaufen. Einige Beispiele hierfür sind Schränke, Regale, ganze Häuser, aber auch kleine Gegenstände wie Bücher, Stifte oder Lebensmittelverpackungen. Wenn wir diese Gegenstände zu Papier bringen wollen, werden aus den Kanten in der zweidimensionalen Abbildung gerade Linien. Verlängern wir diese Linien zu Geraden, so schneiden sich alle Geraden, die in der Realität parallel zueinander verlaufende Kanten sind, in einem gemeinsamen Fluchtpunkt. Im Bild unten sind sie blau dargestellt.

Ein Würfel dargestellt in der Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten. Die Fluchtlinien sind blau hervorgehoben.

Eine Ausnahme hierzu bilden lediglich diejenigen Kanten, welche zufällig auch zur Bildebene parallel sind. Diese werden im Bild parallel dargestellt. Im Bild unten sind sie rot gefärbt.

Ein Würfel dargestellt in der Fluchtpunktperspektive mit einem Fluchtpunkt. Die Fluchtlinien sind blau hervorgehoben.

Zeigt ein Bild mehrere Gegenstände, so müssen diese nicht zwingend den gleichen Fluchtpunkten unterliegen. Nur wenn die Kanten aller Gegenstände in der Realität parallel zueinander verlaufen, ergeben sich im Bild auch die gleichen Fluchtpunkte. Ein Beispiel hierfür sind die einzelnen Stufen einer Treppe, deren Kanten in der Realität natürlich parallel zueinander sind. Daher haben alle Stufen in der Abbildung die gleichen Fluchtpunkte.

Verschiedene Gegenstände können unterschiedliche Fluchtpunkte haben
Verschiedene Gegenstände können unterschiedliche Fluchtpunkte haben
Alle Treppenstufen haben den gleichen Fluchtpunkt
Alle Treppenstufen haben den gleichen Fluchtpunkt

Die Horizontlinie

Betrachten wir alle horizontalen Kanten gemeinsam (also in einem Raum zum Beispiel die horizontalen Kanten von Türen, Fenstern, Schränken, Betten, Regalen, Fußleisten, Teppichen, herumliegenden Zeitschriften, usw), so ergeben sich in der Abbildung viele Geraden, die auf viele verschiedene Fluchtpunkte zusteuern. Genau genommen gibt es unendlich viele Fluchtpunkte. Diese Fluchtpunkte bilden zusammen den Horizont.

Die Horizontlinie verläuft in Bildern immer horizontal. Mein Tipp: Starte bei einer perspektivischen Zeichnung stets mit der Horizontlinie.

Soll der Betrachter die Szenerie eher von oben sehen, so legen wir die Horizontlinie ins obere Drittel des Bildes. Wenn wir die Froschperspektive darstellen wollen, legen wir die Horizontlinie ins untere Drittel des Bildes.

Drei Würfel, die den Unterschied zwischen der Vogelperspektive, der Froschperspektive und der normalen Perspektive veranschaulichen.

Die Fluchtlinien

Die oben beschriebenen Geraden nennen wir Fluchtlinien. In der Regel setzen wir beim Zeichnen zunächst einen oder zwei Fluchtpunkte auf die Horizontlinie. Um nun Gegenstände, Gebäude oder Räume ein zu zeichnen, nutzen wir die Fluchtlinien, welche vom Fluchtpunkt ausgehen und uns zeigen wo wir die Kanten einzeichnen müssen. Dabei empfiehlt es sich anfangs alle Fluchtlinien mit Hilfe eines langen Lineals mit einem Bleistift als Hilfslinie ein zu zeichnen und sie später wieder aus zu radieren.

Begriffserklärung zur Fluchtpunktperspektive: Fluchtpunkte, Horizont und Fluchtlinien

Die Fluchtpunktperspektive in der Praxis

Kommen wir nach so viel Theorie endlich zur Praxis!

Ich empfehle dir für den Anfang folgende Materialien: Einen spitzen Bleistift, ein Radiergummi, ein großes weißes Blatt Papier oder alternativ ein kariertes Blatt Papier (falls du die Kästchen als Hilfslinien benutzen möchtest) und ein langes Lineal.

Ein Fluchtpunkt

Am einfachsten ist die Ein-Punkt-Perspektive. Sie wird auch Zentralperspektive genannt.

Als allererstes zeichnest du den Horizont ein. Für eine normale Ansicht lege die Horizontlinie etwa in die Mitte des Bildes. Für die Froschperspektive legst du sie ins untere Drittel des Bildes. Für die Vogelperspektive ins obere Drittel.

Anschließend markierst du den Fluchtpunkt mit einem kleinen Kreuz.

Horizont und Fluchtpunkt als Vorbereitung für die Zeichnung eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit einem Fluchtpunkt.

Zeichne nun die Front eines beliebigen Gegenstandes. Es kann auch eine Häuserfront sein. Der Einfachheit halber bleibe ich bei einem simplen Würfel, dessen Front natürlich ein Quadrat ist.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit einem Fluchtpunkt

Verbinde nun nacheinander alle Ecken deines Gegenstandes mit dem Fluchtpunkt.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit einem Fluchtpunkt

So entstehen die sogenannten Fluchtlinien.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit einem Fluchtpunkt

Lege nun die Ausdehnung deines Gegenstandes in die Tiefe fest, indem du die hinteren Kanten einzeichnest. Diese sind bei meinem Würfel parallel zu den vorderen Kanten.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit einem Fluchtpunkt

Im letzten Schritt kannst du alle nicht mehr benötigten Hilfslinien ausradieren. Für noch mehr Tiefenwirkung kannst du deinen Gegenstand mit Schatten versehen.

Zeichnung eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit einem Fluchtpunkt.

Die Zentralperspektive eignet sich vor allem zum Zeichnen von Innenräumen, Fluren, Korridoren und Straßenfluchten.

Weitere Arbeitsblätter hierzu findest du in meinen Eduki-Materialien „Einführung Fluchtpunktperspektive: Ein Fluchtpunkt„, „Perspektivisches Zeichnen mit einem Fluchtpunkt“ sowie „Fluchtpunktperspektive für Fortgeschrittene (Bodenbeläge)„. Diese drei Materialien sind auch als Paket erhältlich.

Zwei Fluchtpunkte

Etwas schwieriger wird es mit der Zwei-Punkt-Perspektive.

Auch hier beginnst du mit der Horizontlinie. Anschließend markierst du zwei Fluchtpunkte, die möglichst weit von einander entfernt sein sollten. Lege sie beim ersten Versuch am besten an den äußersten linken und den äußersten rechten Bildrand. Beide Fluchtpunkte müssen auf der Horizontlinie liegen.

Wer bereits etwas geübt ist, kann die Fluchtpunkte sogar außerhalb des Bildes platzieren. Dazu kannst du zum Beispiel ein noch größeres Papier oder eine alte Zeitung unter deine Zeichnung legen und dir hierauf die beiden Fluchtpunkte markieren. Die Fluchtpunkte so weit nach außen zu legen hat den Vorteil, dass die Gegenstände auf deinem Bild noch realistischer wirken. Probiere es doch einfach mal aus! Mach gerne auch die Gegenprobe und lege deine Fluchtpunkte näher zusammen.

Bei der Zwei-Punkt-Perspektive schauen wir nicht auf die Front unserer Gegenstandes so wie bei der Ein-Fluchtpunkt-Perspektive, sondern auf eine Kante. Beginne die Zeichnung deines Gegenstandes daher mit derjenigen Kante des Gegenstandes, die dem Betrachter des Bildes zugewandt ist. (Übrigens ist dies der Grund dafür, dass einige Menschen die Zwei-Punkt-Perspektive auch Übereckperspektive nennen.)

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten

Verbinde nun die Eckpunkte der Kante mit den beiden Fluchtpunkten. So entstehen die Fluchtlinien.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten

Nun legst du die Breite und Tiefe deines Gegenstandes fest, indem du die nächsten beiden senkrechten Kanten einzeichnest.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten

Setze weitere Fluchtlinien an den Enden der neuen Kanten.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten

Nun ist der Würfel gut erkennbar!

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten

Im letzten Schritt kannst du alles Hilfslinien ausradieren.

Zeichnung eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten

Die Zwei-Punkt-Perspektive wird vor allem zum Zeichnen von Gebäuden und Straßenzügen eingesetzt.

Auf Eduki habe ich dir viele weiterführende Arbeitsblätter hierzu zusammengestellt: „Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten„, „Perspektivisches Zeichnen mit zwei Fluchtpunkten“ und „Fluchtpunktperspektive mit zwei Fluchtpunkten für Profis„. Auch diese Materialien kannst du als Gesamtpaket erhalten. Schau doch einfach mal rein!

Drei Fluchtpunkte

Jetzt wird es richtig komplex: Legen wir los mit der Drei-Punkt-Perspektive!

Bisher hast du alle senkrecht stehenden Linien auf deinen Bildern senkrecht dargestellt. Dies ändern wir nun, indem wir einen dritten Fluchtpunkt hinzu fügen. Dieser liegt anders als die ersten beiden Fluchtpunkte über oder unter dem Horizont. Wie bei der Zwei-Punkt-Perspektive gilt auch hier: Je weiter der Fluchtpunkt vom Mittelpunkt des Bildes entfernt ist, um so besser!

Beginne wie gehabt mit der Horizontlinie. Markiere im Anschluss deine drei Fluchtpunkte.

Bei der Ein-Punkt-Perspektive hast du zu Beginn die Front deines Gegenstandes gezeichnet. Bei der Zwei-Punkt-Perspektive war es die Kante, die dem Betrachter am nächsten war. Bei der Drei-Punkt-Perspektive markierst du zunächst nur einen einzigen Punkt: Den Eckpunkt deines Gegenstandes, der dem Betrachter am nächsten ist.

Verbinde diesen Eckpunkt nun mit allen drei Fluchtpunkten. Du erhältst damit die ersten drei Fluchtlinien.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit drei Fluchtpunkten

Nun legst du die Breite und Tiefe deines Gegenstandes fest, indem du weitere Fluchtlinien ergänzt.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit drei Fluchtpunkten

Setze weitere Fluchtlinien an den Eckpunkten der neuen Kanten.

Anleitung zum Zeichnen eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit drei Fluchtpunkten

Nun ist der Würfel fertig! Radiere alle Hilfslinien aus und bestaune dein Ergebnis!

Zeichnung eines Würfels in der Fluchtpunktperspektive mit drei Fluchtpunkten

Die Drei-Punkt-Perspektive wird vor allem zum Zeichnen von Hochhäusern genutzt, die hierdurch gigantisch groß wirken.

Weitere Arbeitsblätter mit Beispielen und Anregungen findest du auf Eduki in meinem Material „Fluchtpunktperspektive mit drei Fluchtpunkten„.

Weiterführende Ideen zur Fluchtpunktperspektive

Wenn du dich mit den Übungen oben vertraut gemacht hast, kannst du versuchen etwas komplexere Gegenstände zu zeichnen: Wie wäre es mit einer Streichholzschachtel? Oder mit einem Laptop? Natürlich kannst du auch Buchstaben und Zahlen mit einem 3D-Effekt versehen, indem du die Fluchtpunktperspektive verwendest. Probiere es doch gleich mal aus!

Für alle, die gerne draußen zeichnen, ist das hier erworbene theoretische Wissen äußerst hilfreich. Da die Fluchtpunkte draußen nicht so leicht erkennbar sind, macht es Sinn, sich vor dem Zeichnen klar zu machen, wo die Fluchtpunkte liegen. Hierbei kann es hilfreich sein einen Bleistift mit ausgestrecktem Arm in Richtung des zu zeichnenden Gebäudes zu halten. Drehe den Bleistift dabei so, dass er der Länge nach an einer der Kanten des Gebäudes „anliegt“. Dein Bleistift bildet nun die Fluchtlinie. Halte den Bleistift in dieser Position und drehe dich mit dem Oberkörper in Richtung Staffelei. Der Arm sollte dabei ausgestreckt bleiben, um den Winkel nicht zu verfälschen. An der Staffelei angekommen kannst du nun die Kante des Gebäudes entsprechend einzeichnen. Wiederhole alle vorherigen Schritte um den Winkel der Fluchtlinie noch einmal zu überprüfen.

Ich hoffe, mein kleiner Einblick in die Fluchtpunktperspektive konnte dir helfen. Nun wünsche ich dir viel Spaß beim Ausprobieren!

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