Bestimmt hast du schon einmal davon gehört, dass Kinder besser lernen, wenn ihnen unterschiedliche Zugänge zu einem Thema ermöglicht werden? Im Erdkundeunterricht können beim Thema Vulkane beispielsweise Bilder, Texte, Videos oder sogar Erzählungen echter Vulkanologen zum Einsatz kommen. Auch in der Mathematik gibt es unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten sowie unterschiedliche Darstellungsformen ein und desselben Themas. Diese Darstellungsformen wollen wir uns heute einmal im Detail ansehen.

Häufig werden vier große Darstellungsformen unterschieden, wobei die Benennung ebendieser uneinheitlich ist. Es handelt sich um die vier Formen:

  • Handlung mit didaktischem Material
  • Sprache
  • Bild
  • Mathematische Symbole

Die unterschiedlichen Darstellungsformen im Detail

Handlung mit didaktischem Material

Insbesondere im Kindergarten und in der Grundschule ist es aus meiner Sicht immens wichtig, dass die Kinder die Möglichkeit erhalten die mathematischen Zusammenhänge zu begreifen. Dabei ist das Wort „begreifen“ durchaus wörtlich gemeint. Indem die Kinder mit ihren eigenen Händen arbeiten, fällt es ihnen leichter sich neues Wissen anzueignen.

Ich persönlich favorisiere das Montessori-Material, welches den Kindern ermöglicht auch komplexe mathematische Zusammenhänge zu erfassen. In vielen Bereichen genügen jedoch einfache Holzwürfel, Plättchen aus Holz oder Pappe, Spielgeld oder vergleichbare, simple Alltagsgegenstände beziehungsweise Lernmaterialien.

Einführung in die Bruchrechnung: Foto von einem Kind, welches sich mit Hilfe von Pappkreisen mit Brüchen vertraut macht

Sprache

Idealerweise wird die Arbeit mit dem didaktischen Material sprachlich begleitet. Dabei kann der Lehrende einerseits eine Einführung geben in dessen Verlauf er die Handhabung des Materials erläutert. Andererseits kann die Übung auch während der Durchführung sprachlich begleitet werden.

Hierbei lernen die Kinder die richtigen Fachausdrücke und deren sprachliche Verwendung kennen. Neben dieser Fachsprache zählt auch die Umgangssprache zum Bereich der Sprache. So können die Kinder Fragen formulieren, Lösungswege diskutieren, ihre Erkenntnisse in eigenen Worten wiedergeben oder von Beispielen aus ihrer Lebenswelt berichten. Ältere Kinder können darüber hinaus Plausibilitätsüberlegungen anstellen, neben Beispielen auch Gegenbeispiele aufführen oder komplexere mathematische Themen in Verbindung zueinander setzen.

Und schließlich zählt auch das geschriebene Wort zur Sprache: Die Kinder lesen Informationen, verstehen diese und geben sie wieder. Am Ende präsentieren sie ihre Erkenntnisse.

Text: "Ein Viertel der Kinder fährt mit dem Bus."

Bild

Der Bereich Bild beinhaltet neben Fotos und Illustrationen auch Skizzen, Diagramme, Grafiken sowie Tabellen.

Die visuelle Darstellung kann dabei helfen den abstrakten Lerninhalt anschaulich zu machen. Die Kinder lernen Informationen aus bereits vorhandenem Bildmaterial zu entnehmen, aber auch eigenes Bildmaterial zu erstellen. Hierbei wird ihnen bewusst, dass ein Diagramm oder eine Skizze häufig mehr sagt als tausend Worte. Die Aufgabe oder den Lerninhalt zu visualisieren kann enorm beim Verständnis helfen.

Illustration von einer ganzen Pizza, einer dreiviertel Pizza, einer halben Pizza und einer viertel Pizza

Mathematische Symbole

Nachdem der eigentliche Inhalt verstanden wurde, soll er verschriftlicht werden. Hierbei helfen die mathematischen Symbole wie Ziffern und Operationszeichen. Sie schaffen eine festgelegte Ordnung. Die Inhalte können darüber hinaus häufig sehr viel kürzer dargestellt werden.

Das Problem, welches entsteht wenn mit dieser letzten Darstellungsform begonnen wird, liegt klar auf der Hand: Für das Kind sind die mathematischen Symbole zunächst nur abstrakte Zeichen. Es kann sie nicht deuten. So entsteht Verwirrung und Frust. Deshalb ist es enorm wichtig, auch die anderen Darstellungsformen mit einzubeziehen und sie bestenfalls voran zu stellen.

Die unterschiedlichen Darstellungsformen am Beispiel der Bruchrechnung

Ein mathematischer Sachverhalt kann also mit Hilfe unterschiedlicher Darstellungsformen auf verschiedene Weisen veranschaulicht werden. Die Einführung in die Bruchrechnung ist ein ideales Beispiel.

Der Einstieg in das Thema kann ganz spielerisch erfolgen. So zum Beispiel mit den Bruchkegeln oder Bruchkreisen, welche aus der Montessoripädagogik bekannt sind. Die Kinder können die Kegel oder Kreise auseinandernehmen, erneut zusammensetzen und spielerisch experimentieren. Alternativ können auch einfache Kreissegmente aus Pappe eingesetzt werden. Indem das Kind mit dem didaktischen Material spielt, lernt es bereits erste wichtige Zusammenhänge kennen.

Wenn das Kind bei seinem Tun sprachlich begleitet wird, erhält es die Chance das dazugehörige Fachvokabular zu erlernen. In diesem Fall könnten das Vokabeln wie „Bruch“, „ein Halb“ und „ein Viertel“ sein. Mit Hilfe dieser neuen Vokabeln kann das Kind bald ganze Sätze bilden. „Vier Viertelkreise ergeben zusammen einen ganzen Kreis.“ „Ein halber Apfel und ein halber Apfel ist ein ganzer Apfel.“

Foto von einem Apfel, welcher in zwei Hälften geschnitten wurde zur Veranschaulichung und Einführung in die Bruchrechnung

Im Schulbuch begegnet dem Kind die Darstellungsform „Sprache“ in erster Linie in Lernkästen sowie in Textaufgaben. „Alina kauft 1/2 kg Möhren und 1/2 kg Äpfel. Wie viel Kilogramm hat sie zu tragen?“

Zur bildlichen Veranschaulichung kann eine Pizza dienen oder der abstraktere Kreis. Wenn die Kinder eigene Skizzen oder Zeichnungen anfertigen, vertiefen sie ihr Verständnis für die Zusammenhänge.

Schließlich folgt die Einführung der dazugehörigen mathematischen Symbole. In diesem Fall insbesondere die korrekte Schreibweise eines Bruchs.

Die Kombination unterschiedlicher Darstellungsformen

Wie man sieht stehen die einzelnen Darstellungsformen nicht für sich, sondern greifen ineinander. So können die mathematischen Symbole das didaktische Material ergänzen wie auf dem Foto oben zu sehen ist. Auch tauchen die mathematischen Symbole in den Textaufgaben aus dem Bereich Sprache auf. Die Handlung mit dem didaktischen Material kann sprachlich begleitet werden, zum Beispiel indem der Lehrende etwas Ergänzendes erklärt oder die Kinder untereinander über den Lernstoff diskutieren. Die sprachliche Darstellung kann durch ein Bild visualisiert werden. Alles greift ineinander.

Wenn ein Lerninhalt komplett verstanden wurde, ist das Kind in der Lage zwischen den einzelnen Darstellungsformen hin und her zu wechseln. Erhält es beispielsweise die mündliche Aufgabe herauszufinden wie viel Pizza jede Person bekommt, wenn es für drei Esser nur zwei Pizzen gibt, so kann es den Sachverhalt

  • mit Hilfe von didaktischem Material nachstellen
  • mit Hilfe einer Skizze veranschaulichen
  • mit Hilfe mathematischer Symbole darstellen

(Wie ich die Bruchrechnung vollständig einführe angefangen beim Bruch über das Kürzen und Erweitern bis hin zu den ersten Additionen und Subtraktionen habe ich bereits in meinem Blogartikel „Einführung in die Bruchrechnung“ beschrieben.)

Kann ein Kind mit Leichtigkeit zwischen den verschiedenen Darstellungsformen wechseln, so erlaubt ihm diese Kompetenz beim Lösen komplexerer Aufgaben eine flexible Herangehensweise. Vielleicht kann es die Aufgabe mit Hilfe des didaktischen Materials lösen, vielleicht aber auch mit Hilfe einer Skizze. Die unterschiedlichen Darstellungsformen ermöglichen jedem Kind seinen individuellen Weg zum Ziel zu finden.

An dieser Stelle möchte ich kurz darauf hinweisen, dass es äußerst wichtig ist, dem Kind tatsächlich den Zugriff auf alle vier Darstellungsformen zu ermöglichen. Didaktisches Material sollte aus meiner Sicht so im Klassenzimmer platziert sein, dass es frei zugänglich ist und jederzeit benutzt werden darf. Entsprechendes gilt für das Lernen zu Hause. Komplexe Sachverhalte sollten in Schulbüchern und auf Arbeitsblättern stets durch anschauliche Illustrationen ergänzt werden. Ein Ansprechpartner sollte für das Kind zur Verfügung stehen, um die mündliche, sprachliche Darstellungsform einzubeziehen, falls das Kind besser lernt indem es über den Sachverhalt spricht.

Eine geschickte Aufgabenstellung kann unterstützend dazu beitragen, dass die Kinder sich ermutigt fühlen unterschiedliche Darstellungsformen auszuprobieren.

Ein kleiner Ausblick

Was im Kindergarten und in der Grundschule funktioniert, kann in der weiterführenden Schule nicht schaden. Ich persönlich würde es befürworten, wenn auch ältere Kinder die Möglichkeit hätten den Lernstoff aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Leider kommt aus meiner Erfahrung insbesondere die Handlung mit didaktischem Material im Mathematikunterricht der weiterführenden Schule zu kurz. Das Augenmerk wird auf die mathematischen Symbole gelegt. Dabei passiert es leider häufig, dass die Schülerinnen und Schüler zwar einen vorgegebenen Rechenweg mit anderen Zahlen erneut beschreiten können, dass sie aber den eigentlichen mathematischen Inhalt nicht verstanden haben.

Letztendlich kann die Nutzung unterschiedlicher Darstellungsformen bis ins Erwachsenenalter hinein sinnvoll sein, um neue mathematische Bereiche zu erforschen und zu begreifen.

Wer sich tiefergreifend mit dieser Materie auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich die Handreichung „»Darstellen in der Mathematik« als Kompetenz aufbauen“ von Brigitte Dedekind.

Passendes Lernmaterial von Kiwole

Selbstverständlich können Arbeitsblätter alleine nicht die vier Bereiche „Handlung mit didaktischem Material“, „Sprache“, „Bild“ und „Mathematische Symbole“ abdecken. Daher habe ich mich für Wort- und Bildkarten entschieden, die durch didaktisches Legematerial ergänzt werden können. Schneidet man alle Wort- und Bildkarten aus und durchmischt diese, so entsteht ein Zuordnungsspiel. Welche Karten gehören zusammen? Welche mathematischen Symbole passen zu diesem Bild oder zu dieser Textaufgabe? Zuordnungsspiele dieser Art habe ich bisher für die Bereiche „das kleine Einmaleins“ sowie „Brüche“ erstellt. Du findest sie auf Eduki:

Unterschiedliche Darstellungsformen der Malaufgabe 3x5: Als Punktbild, als Abbildung von drei Würfeln mit der Augenzahl fünf, als Plusaufgabe und als Malaufgabe

Material zu unterschiedlichen Darstellungsformen der Zahlen findest du in meinem Blogartikel „Die Darstellung der Zahlen„. Falls du Wünsche hast, für welche weiteren Bereiche ich Material dieser Art entwickeln sollte, so lass es mich gerne wissen.

Foto von verschiedenen Darstellungen der Zahl 20

Wie setzt du unterschiedliche Darstellungsformen im Unterricht oder zu Hause ein? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Gibt es vielleicht wichtige Ergänzungen zu meinen Ausführungen? Ich freue mich sehr auf deinen Kommentar!

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