Kürzlich habe ich in meinem Artikel „6 Gründe gegen Ausmalbilder“ dargelegt, warum ich der Auffassung bin, dass Ausmalbilder weder Kreativität noch Selbstausdruck des Kindes fördern, sondern diese vielmehr verhindern. Heute möchte ich dir viele unterschiedliche Anregungen an die Hand geben, wie du die Kreativität deines Kindes wirklich effektiv fördern kannst. Keine Angst, du musst dazu weder zeichnen noch malen können.

Ich lade dich ein, deinem Kind zu vertrauen und ihm lediglich die passende Umgebung bereit zu stellen, in der es sich frei ausprobieren kann. Alles andere kommt von ganz alleine…

Eine Umgebung, die die Kreativität fördert

Wie könnte eine solche kreativitätsfördernde Umgebung aussehen? Vielleicht fällt dir selber spontan etwas dazu ein. Wann und wo konntest du deiner Kreativität einmal richtig freien Lauf lassen?

Der richtige Ort

Ich denke, eine solche Umgebung beinhaltet zunächst einmal Platz. Auf einem vollen Schreibtisch können selten neue Ideen wachsen. Ratsamer ist ein freier Tisch oder auch eine große freie Malfläche auf dem Fußboden, sofern dein Kind gerne am Boden arbeitet.

Als zweites solltest du an dich selber denken: Ist die Fläche gut zu reinigen? Wie frustrierend ist es, wenn nach der kreativen Arbeit der Streit zwischen Kind und Elternteil entspringt, weil Farbe auf der guten Tischplatte oder den weißen Tapeten gelandet ist. Daher empfehle ich an dieser Stelle vorzusorgen. Legt den Platz entweder mit altem Papier aus oder richtet ihn direkt so her, dass alles abwischbar ist. Meine Tochter malte unheimlich gerne auf dem Küchenfußboden. Das war äußerst praktisch, denn er ließ sich wunderbar abwischen. Und das war häufig auch bitter nötig.

Das passende Material

An dritter Stelle stehen für mich gute, ausgewählte Materialien. Damit ist nicht gemeint, dass du in den nächsten Künstlerbedarf gehen sollst und für unglaublich viel Geld die besten Stifte und Farben anschaffen sollst. Viel mehr geht es mir darum, dass die bereits vorhandenen Dinge sinnvoll eingesetzt werden. Manchmal ist weniger mehr. Als erstes würde ich alle untauglichen Materialien aussortieren. Hierzu gehören abgebrochene Stifte, schlecht malende Filzstifte und Fineliner sowie unergonomische Schreibgeräte (an dieser Stelle sei noch einmal auf meinen Blogartikel „Die korrekte Stifthaltung einfach erlernen durch die richtigen Stifte“ hingewiesen). Kurzum: Alles, was Frust verursachen könnte, fliegt raus. Alles Blei- und Buntstifte sollten gut angespitzt sein. Und zwar bevor das Kind beginnt!

Einige Eltern schwören auf kleine Wägelchen mit vielen einzelnen Körbchen oder Behältern, in denen alle Stifte, Farben, Pinsel, Stempel und sonstigen Kunstmaterialien untergebracht sind. Diese Wagen mögen ihre Berechtigung haben, wenn das Kind Materialien mischen möchte. Ansonsten sind sie meiner Meinung nach völlig überflüssig, da sie durch das Überangebot an Material eher verwirren. Aus meiner Sicht macht es mehr Sinn, dem Kind pro „Kunststunde“ nur eine begrenze Anzahl an Materialien anzubieten, so dass es sich voll und ganz auf diese konzentrieren kann und den Umgang hiermit erforschen kann.

Kreative Angebote

Ich persönlich habe meiner Tochter immer wieder kreative Angebote gemacht, die sie gerne angenommen hat. So habe ich ihr zum Beispiel einige gespitzte Buntstifte und ein schlichtes weißes Papier gegeben. Nichts weiter.

Ich habe ihr keine Vorgaben gemacht was oder wie sie zeichnen soll. Kein „Mal mir doch mal ein Pferd.“ und auch kein „Mal mir doch mal was Schönes!“. Ebenso habe ich es vermieden ihre Kunstwerke zu kritisieren oder gar verbessern zu wollen. Kein „Oh, fehlt da nicht ein Arm?“ und auch kein „Schau mal, wenn du es so malst, sieht es sicher besser aus!“. Für mich war es wichtig, dass ich ihr einen geschützten Raum gebe, in dem sie sich frei entfalten kann. Einen Raum für Experimente. Hier sollte es nicht darum gehen „gut“ zu malen, sondern auszuprobieren, was man mit dem Material überhaupt alles anstellen kann. Einen Buntstift kann man leicht oder fest über das Papier führen. Man kann Linien zeichnen, Flächen ausmalen oder auch nur einzelne Punkte aufstupsen. Es gibt so viele Möglichkeiten!

Du siehst, deine Aufgabe ist ganz leicht: Stelle deinem Kind eine gute Umgebung und interessantes Material bereit und halte dich während des kreativen Prozesses im Hintergrund. Vertraue deinem Kind! Es weiß, was es tut. Durch Experimente erfährt es so viel. In meinem Artikel „Farben mischen – Der Einstieg in die Farbenlehre“ habe ich dies exemplarisch am Beispiel der Farbenlehre verdeutlicht. Natürlich kann man hingehen und dem Kind anhand eines Farbkreises erklären, dass man orange erhält, wenn man gelb und rot miteinander mischt. Viel eingänglicher ist es jedoch, wenn das Kind eben diese Erfahrung selber macht. Wenn es die Lerninhalte buchstäblich begreift!

Daher habe ich meiner Tochter auch selten eine ganze Farbpalette an die Hand gegeben, sondern die Farben bewusst reduziert. Mit rot, gelb, blau, weiß und schwarz lassen sich alle anderen Farbtöne erzeugen. Für wirklich gute Ergebnisse sollte man darauf achten, statt irgendeines Rottons magenta und statt eines beliebigen Blautons cyan zu wählen. Doch man kann die Farbauswahl auch auf andere Weise reduzieren: Was passiert, wenn wir unserem Kind nur noch Blautöne zur Verfügung stellen? Von hellblau über blautürkis bis hin zu dunkelblau. Auch diese Art der Reduktion kann die Fantasie beflügeln.

Nun gibt es natürlich nicht nur Buntstifte. Das wäre auf Dauer wohl langweilig. Daher hier eine Aufzählung interessanter, unterschiedlicher Angebote, die deinem Kind freies, kreatives Experimentieren ermöglichen:

Stifte

  • Buntstifte und weißes Papier (der Klassiker)
  • Buntstifte und farbiges Papier
  • Ein weißer Buntstift und schwarzes Papier oder schwarze Pappe
  • Ein weißer sowie ein schwarzer Buntstift und graue Pappe
  • Ein weißer Buntstift und farbige Pappe
  • Bleistifte unterschiedlicher Härtegrade und weißes Papier
  • Filzstifte und weißes Papier
  • Filzstifte, Fineliner und weißes Papier
  • Ein Bleistift, ein schwarzer Fineliner und weißes Papier
  • Ein silberner oder goldener Gel Pen und schwarzes Papier
  • Kohle und weißes Papier
  • Kohle in unterschiedlichen Dicken und weißes Papier
  • Weiße Kreide und eine Tafel
  • Ölpastellkreide und weißes Papier
  • Ölpastellkreide (alternativ Wachsmalkreide), Wasserfarbe und festes, weißes Papier
  • Pastellkreide und weißes Papier
  • Pastellkreide und schwarzes Papier
  • Wasservermalbare Buntstifte und festes, weißes Papier
  • Wasservermalbare Buntstifte, ein wasserfester, schwarzer Fineliner und festes, weißes Papier
  • Wasservermalbare sowie Nicht-wasservermalbare Buntstifte und festes, weißes Papier

Farbe

Häufig werden zu flüssiger Farbe ganz selbstverständlich Pinsel gereicht. Dies ist jedoch kein Muss. Kinder malen auch gern mit ihren Fingern. Das haptische Gefühl bietet ihnen eine zusätzliche Erfahrung.

Während wir uns angewöhnt haben, Kindern Din A4 Papier zusammen mit Stiften und Din A3 Papier zusammen mit flüssigen Farben anzubieten, haben wir vollkommen vergessen, dass auch kleinere und größere Arbeitsflächen interessante Ergebnisse provozieren können. Das gleiche gilt für ungewöhnliche Papierformate. Warum nicht mal quadratisches Papier anbieten? Oder eine Endlospapierrolle, die super lange Kunstwerke ermöglicht.

  • Ein Näpfchen Wasserfarbe, drei Pinsel in unterschiedlicher Stärke und festes Papier
  • Ein Näpfchen Wasserfarbe, Borsten- sowie Haarpinsel und festes Papier
  • Zähflüssige Farbe und extra großes Papier oder die Rückseite einer alten Tapetenrolle
  • Weiße, zähflüssige Farbe und schwarze Pappe
  • Wasserfarbe, ein schwarzer Fineliner und festes Papier
  • Wasservermalbare Buntstifte, Wasserfarbe und festes Papier
  • Eine dünne, weiße Kerze, Wasserfarbe und festes Papier (mit Hilfe der Kerze können „unsichtbare“ weiße Spuren auf dem Papier entstehen, von denen die Wasserfarbe abperlt)
  • Lasierende sowie deckende Farbe und festes Papier
Foto von einer Hand mit Pinsel und Wasserfarben passend zum Thema "Farben mischen"

Stempel

Kurz vorweg: Bei Motivstempeln empfehle ich, genau darauf zu achten, wie dein Kind sie einsetzt. Wird einfach nur wild das Papier vollgestempelt, so sehe ich keinen kreativen Nutzen. Werden die Motive aber kreativ ins Bild integriert, so sind sie sehr wohl empfehlenswert. Meine Tochter nutzte ihre Tierstempel beispielsweise regelmäßig dazu, ganze Zoos entstehen zu lassen. Gehege, Behausungen, Bäume, Besucher und vieles mehr zeichnete sie frei Hand. Dann setzte sie mit Hilfe ihrer Stempel Tiere in die Gehege, was ein kreatives Zusammenspiel der unterschiedlichen Stilrichtungen ergab.

  • Korken, zähflüssige Farbe und festes Papier
  • Schwämme, Farbe und festes Papier
  • Naturmaterialien wie zum Beispiel selbstgesammelte Herbstblätter, Farbe und festes Papier
  • Bunte Stempelkissen und festes Papier (hier dienen die eigenen Finger als Stempel)

Dinge aus denen Skulpturen entstehen können

  • Knete (ohne Ausstechförmchen oder andere Hilfsmittel)
  • Ton, mit oder ohne Spezialwerkzeug, mit oder ohne Töpferscheibe
  • Ton (alternativ Knete) und Naturmaterialien (Tannenzapfen, getrocknete Blumen, Äste, ect) oder kleine, lose Teile z.B. Holzperlen
  • selbstgesammelte Naturmaterialien
  • alte Pappkartons und Klebeband
  • Draht
  • Origami-Papier (ohne Anleitung)
  • Holz und (Schnitz-)Werkzeug
Foto von einem Stapel Origami-Papier. Im Vordergrund sind Kinderhände zu sehen, welche mit einer Schere Muster in das Papier schneiden. Symbolbild für Kreativität.

Inspiration von Innen und von Außen

Wie du siehst, sind all diese kreativen Angebote sehr offen gehalten. Es ist allein dem Kind überlassen, ob ein abstraktes oder ein gegenständliches Kunstwerk entsteht. Das Kind kann sich frei entfalten. Einige Kinder bringen Alltagsszenen wie zum Beispiel eine Familie vor ihrem Haus oder einen Spielplatzbesuch zu Papier. Andere Kinder lassen ihre Wünsche und Träume Wirklichkeit werden, indem sie Drachen, Feen oder Einhörner über das Papier schweben lassen. Manchmal probieren sie auch einfach nur aus. Schmieren die Farbe scheinbar ziellos über das Papier. Dann neigen wir Erwachsen dazu uns zu ärgern, denn in unseren Augen handelt es sich hierbei um reine Materialverschwendung. Ich bitte dich, sieh dir dein Kind an! Scheint es gelangweilt? Dann verschwendet es vielleicht tatsächlich nur Papier. Sieht es hochkonzentriert aus? Dann lass es gewähren. Wahrscheinlich erforscht es gerade angestrengt eine Sache, die für unsere Augen einfach unsichtbar ist.

Kinder bringen sehr viel Inspiration mit! Und sie sind in der Lage sich vieles abzugucken oder selber zu erschließen. Wir müssen kaum von außen eingreifen. Wenn du deinem Kind trotzdem zusätzliche Inspiration geben möchtest, ließ dir gerne meine Ideen dazu durch, welche ich in einem weiteren Blogbeitrag ausführen werde, der in einigen Tagen folgen wird.

Vielleicht gefällt dir auch das:

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert