Der Lebensmitteleinkauf gehört zu unserem Alltag. Babys und Kleinkinder erleben dies häufig hautnah, denn sie werden oft mitgenommen, wenn die Eltern einkaufen gehen. Dies ändert sich jedoch in vielen Familien sobald das Kind in den Kindergarten geht. In meinem persönlichen Umfeld erlebe ich es oft, dass die Eltern lieber entspannt alleine einkaufen gehen, während das Kind betreut wird. Der Einkauf mit Kind im Schlepptau wird als langwierig und anstrengend empfunden.
Damit die Kinder trotzdem das Einkaufen erlernen, gibt es in einigen Kindergärten Projekte bei denen die Kinder in Kleingruppen einkaufen gehen, wobei die Kinder reihum einmal bezahlen dürfen. In meinen Augen ist dies jedoch zu wenig! Ein Lebensmitteleinkauf ist eine grundlegende Angelegenheit und sollte ebenso erlernt werden wie das Zähne putzen oder das Binden einer Schleife.
Was bereits Kindergartenkinder beim Einkaufen lernen können
Bei einem Einkauf können die Kinder so viele Dinge lernen! Worauf achtet man bei der Auswahl der Lebensmittel? Wie erkennt man frisches Obst und Gemüse? Nach welchen Prinzipien sind die Lebensmittel im Supermarkt sortiert? Wo findet man günstige Lebensmittel? Was ist Quengelware? Welche Informationen kann ich den Preisschildern entnehmen? Und wo finde ich das zum jeweiligen Produkt gehörende Preisschild überhaupt? Wie funktioniert der Pfandautomat? Welche Bezahlmöglichkeiten gibt es und wie funktionieren sie?
Und nicht zu vergessen der soziale Aspekt: Wen kann ich fragen, wenn ich ein Produkt nicht finde? Wie bekomme ich an der Wurst- oder Käsetheke die gewünschten Produkte? Welche Angaben muss ich machen, um exakt das richtige Produkt in der gewünschten Menge zu erhalten? Wie begrüßt und verabschiedet man die Kassenkraft auf freundliche Art und Weise? Welche Standardfragen gibt es an der Kasse („Bar oder Karte?“, „Haben Sie eine Bonuskarte?“, „Wünschen Sie dies oder jenes?“), was bedeuten sie und wie antworte ich korrekt darauf?
Meine persönlichen Erfahrungen
Auch wenn es deutlich länger dauert: Ich habe meine Tochter von klein auf regelmäßig mitgenommen in den Supermarkt. Sie liebte es ihren kleinen Einkaufswagen durch die Gänge zu schieben! Schnell erkannte sie die Produkte in den Regalen wieder, die wir regelmäßig kauften. Schon bald begann ich, ihr eine kleine Einkaufsliste zu schreiben. Dabei können die Produkte zunächst durch Bilder ersetzt werden. Als sie anfing zu lesen, schrieb ich ihr einfache Lebensmittel auf ihre Liste: „Käse, Müsli, Banane, Tee, …“ Viele Lebensmittel haben relativ kurze, einfache Bezeichnungen, so dass auch Leseanfänger gut damit zurecht kommen.
Ich war erstaunt darüber, wie schnell meine Tochter anfing in der Obst- und Gemüseabteilung kritisch zu überprüfen, ob der Apfel eine braune Stelle hat oder ob der Salat bereits schlaff herunter hängt. Sie suchte stets die besten Avocados aus! Irgendwie hatte sie ein besonders gutes Händchen dafür.
Der Umgang mit Geld
Natürlich wollte sie auch selber bezahlen. Also übten wir es in kleinen Schritten:
- Zunächst gab ich ihr einen großen Schein, den sie einfach abgab.
- Anschließend lernte sie das Rückgeld in Empfang zu nehmen.
- Danach gab ich ihr das Portemonnaie und sagte ihr, welchen Schein sie auswählen solle. Schnell hatte sie alle Scheine gelernt.
- Wenn es ganz leer an der Kasse war und die Kassenkraft entspannt schien, erlaubte ich ihr den genauen Betrag mit Scheinen und Münzen herauszusuchen. Anfangs half ich dabei, indem ich ihr genau sagte, welche Münzen und Scheine sie wählen solle. Später suchte sie sich die Münzen vollkommen selbständig heraus.
- Zum Schluss lernte sie das Wechselgeld zu kontrollieren.
Da meine Tochter früh Interesse am Bezahlen zeigte, begann dieser Prozess schon sehr früh und war noch vor Schuleintritt abgeschlossen. Ich würde hier (wie in jedem anderen Lernfeld auch) dazu raten den Interessen des Kindes zu folgen! Wenn es motiviert ist eine Aufgabe selbständig zu bewältigen, soll es dies versuchen und sein Können so nach und nach ausbauen.
Einige weitere Gedanken zum Thema Geld findest du übrigens in meinem Blogartikel „Lernmotivation – Warum Kinder lernen (und warum sie ihre Vokabeln nicht lernen)„.
Ganz alleine einkaufen gehen
Irgendwann äußerte mein Kind den Wunsch alleine einkaufen zu gehen. Auch hier gingen wir schrittweise vor:
- Anfangs erledigte ich meinen Einkauf, während sie mit ihrem kleinen Einkaufswagen und einer übersichtlichen Einkaufsliste „ihren“ Einkauf erledigte. Wir trafen uns an der Kasse, wo wir nacheinander unsere Einkäufe bezahlten.
- Als dies gut klappte, blieb ich vor dem Supermarkt stehen und schickte sie allein hinein. Sie sollte lediglich ein einziges Produkt kaufen von dem ich sicher wusste, dass es in kinderfreundlicher Höhe platziert ist.
- Schließlich durfte sie alleine von zu Hause aus losgehen und einige wenige Artikel im Supermarkt kaufen.
Was Schulkinder beim Einkaufen lernen können
Aufbauend auf die so erlernten Grundlagen können ältere Kinder noch viele weitere Dinge im Supermarkt lernen.
Sie können bereits eigene Einkaufslisten schreiben. Zum Beispiel wenn sie einen bestimmten Kuchen backen wollen und die fehlenden Zutaten im Supermarkt besorgen müssen. Dabei fällt ihnen auf, dass es hilfreich sein kann, nicht nur den Artikel sondern auch die Mengenangabe zu notieren.
Der Umgang mit Geld
Der regelmäßige Umgang mit Bargeld führt dazu, dass die Kinder schneller und routinierter werden. An dieser Stelle lohnt sich ein kleiner Exkurs: Wie erkenne ich Falschgeld? Viele Kinder sind fasziniert von diesem Thema!
In diesem Alter kann man den Kindern auch erklären, warum am Preisschild in winzig klein geschriebener Schrift angegeben ist, wie viel 100 Gramm oder ein Kilogramm des Produktes kostet. Dies macht es dem Kunden leichter, die Preise unterschiedlicher Produkte miteinander zu vergleichen. Meine Tochter staunte nicht schlecht, als ihr klar wurde, dass die Markenchips mehr als doppelt so viel kosteten wie die No-Name-Chips.
Preise verändern sich. Wie wäre es, mit dem Kind einmal über Preisentwicklungen zu sprechen? Ihr könnt euch sogar ein Produkt aussuchen und jede Woche nachsehen, wie sich der Preis entwickelt hat. Insbesondere bei Gurken lassen sich häufig deutliche Preisunterschiede feststellen.
Einige Kinder finden es unglaublich spannend die Verkaufsstrategien der Supermärkte genauer kennen zu lernen. Wie und wo wird Quengelware drapiert? Was sind Bück- und Streckzonen? Auf welche Weise sollen Geruch, Musik und Beleuchtung den Kunden verführen? Wie wirken Sonderangebote und Rabattaktionen? Wie kann ich als Kunde herausfinden, ob mir diese Sonderangebote oder Rabattaktionen tatsächlich etwas nützen?
Produkte und ihre Verpackungen
Es lohnt sich im Grundschulalter nochmal genauer auf die Unterschiede der einzelnen Produkte zu schauen. In der Obst- und Gemüseabteilung kann man feststellen, dass die unterschiedlichen Apfelsorten möglicherweise aus unterschiedlichen Ländern importiert wurden. Bei den Fertiggerichten kann es spannend sein die Listen der Inhaltsstoffe miteinander zu vergleichen. Unglaublich, welche Inhaltsstoffe sich in diesen Produkten verstecken! Am Nudelregal können wir über die Vielfalt staunen! Wie lustig die Nudeln geformt sind und welche Namen sie alle tragen.
Interessant ist auch ein Blick auf die Verpackungen! Welche Obst- und Gemüsesorten gibt es unverpackt und welche nur in einer Verpackung zu kaufen? Welche Produkte enthalten zu viel Verpackung? Wo verstecken sich Mogelpackungen? Welche Vor- und Nachteile haben Glasflaschen gegenüber Plastikflaschen? Welche Verpackungen sind haltbar? Welche gehen schnell kaputt? Vielleicht ist sogar ein Ausflug zum Unverpacktladen drin, um Alternativen aufzuzeigen.
Schulkinder sind alt genug, um auch mit Problemen im Supermarkt klar zu kommen. Was kann ich tun, wenn mein gewünschtes Produkt ausverkauft ist? Wie sollte ich mich verhalten, wenn mir versehentlich etwas zu Bruch geht? Wie verhalte ich mich, wenn mein Geld nicht ausreicht?
Wozu das alles?
Nun habe ich euch sehr, sehr viele unterschiedliche Anregungen gegeben. Und glaubt mir, es gibt noch viel mehr im Supermarkt zu entdecken. Doch wozu das alles? Warum sollte man so viel Zeit investieren und so viele unterschiedliche Themen mit seinem Kind im Supermarkt besprechen?
Aus meiner Sicht helfen all diese Dinge um dem Kind später im Leben als Erwachsener eine bessere Kaufentscheidung zu ermöglichen. Wenn man gelernt hat, Rabattaktionen und Bonuspunkte kritisch zu hinterfragen, wird man weniger häufig auf unsinnige Aktionen hereinfallen. Sobald man gelernt hat Preise zu vergleichen, wird man weniger Geld ausgeben. Wenn man gelernt hat die Güte verschiedener Produkte zu vergleichen, wird man insgesamt hochwertigere Produkte auswählen.
Der Lebensmitteleinkauf ist ein immer wiederkehrender Prozess. Doch was wir dort lernen, kann uns auch bei großen Kaufentscheidungen nützlich sein. Ich sehe es als Vorbereitung auf den Kauf eines Fahrrads, eines Handys oder eines Autos. Wir werden kritischer vergleichen und sorgfältiger auswählen, wenn wir dies zuvor oft genug geübt haben. Wir werden routinierter mit dem Verkäufer sprechen können und die richtigen Fragen stellen können, wenn wir dies zuvor im Kleinen geübt haben. Wir werden selbstbewusster und selbstsicherer sein.
Darüber hinaus fördern all diese Dinge die Selbständigkeit des Kindes. Es fühlt sich groß und ist stolz, wenn es selber einkaufen gehen kann.
Was kann passieren, wenn man als Kind nicht lernt einkaufen zu gehen?
Viele Eltern beklagen sich darüber, dass die eigenen Kinder nie sparen und ihr Taschengeld immer direkt ausgeben. Noch dazu für überteuerten, unnützen Kram. So lange dies nur vorübergehend geschieht, ist es aus meiner Sicht eine Phase, die nicht weiter schlimm ist. Ich denke jedoch, dass man dieses Verhalten weniger oft antreffen wird, wenn man von vorne herein regelmäßig mit seinem Kind einkaufen geht und ihm ermöglicht ein Bewusstsein für Preise und Produkte zu entwickeln.
Einige Eltern berichten, dass ihr Kind sich nicht traut allein einkaufen zu gehen. Es hat Angst. Dies ist verständlich, wenn der Supermarkt ein fremder Ort ist in dem fremde Regeln gelten. Ist der Supermarkt jedoch bekannt und die Abläufe lange geübt, so wird das Kind nur wenig Angst haben. Vielleicht ist es schüchtern und mag sich nicht mit der Kassenkraft unterhalten. In diesem Fall finde ich es okay, wenn das Kind lediglich die gröbsten Kommunikationsregeln einhält. Eine Begrüßung, eine Verabschiedung und die Beantwortung einfacher Fragen reichen aus meiner Sicht aus und das würde ich einem schüchtern Kind auch so kommunizieren.
Wie sind eure Erfahrungen? Berichtet mir gerne davon in den Kommentaren!