In der Schule lernen die Schülerinnen und Schüler zunächst das Koordinatensystem mit zwei Achsen kennen (siehe auch meinen Blogartikel „Einführung in die Koordinatensysteme„). Dieses Koordinatensystem lässt sich sehr anschaulich auf einem Blatt Papier darstellen. Kommt jedoch später neben der x-Achse und der y-Achse die z-Achse hinzu, so beginnen die Probleme. Wird das Koordinatensystem mit drei Achsen nämlich auf einer zweidimensionalen Ebene dargestellt, wie es in Schulbüchern und auf Arbeitsblättern logischerweise der Fall ist, so wird die Darstellung unübersichtlich. Ein ins Koordinatensystem eingetragener Punkt kann nicht mehr klar lokalisiert werden. Die Schülerinnen und Schüler sind häufig verunsichert oder verwirrt.
Lernen durch Begreifen
Diese Verwirrung erlebte ich das erste Mal in meiner eigenen Schulzeit. Mein damaliger Mathelehrer gestikulierte wild mit allem, was er im Klassenraum vorfand: Stifte dienten ihm als Geraden. Das große Lineal für die Tafel verwandelte sich in seinen Händen in eine Achse. Mit vollem Körpereinsatz versuchte er uns die dritte Dimension dieses „neuen“ Koordinatensystems näherzubringen.
Im Gegensatz zu meinen Mitschülerinnen und Mitschülern hatte ich schnell begriffen, worauf er hinaus wollte. Sein körperlicher Einsatz wurde für mich zu einer unterhaltsamen, humorvollen Show. Gleichzeitig habe ich seinen Einsatz sehr zu schätzen gewusst.
Wenig später stand ich als Nachhilfelehrerin vor der gleichen Problematik. Auch ich setzte allerlei Hilfsmittel ein, um meinen Schülerinnen und Schülern die dritte Achse und die damit einhergehenden Möglichkeiten im dreidimensionalen Raum begreifbar zu machen.
Einen dreidimensionalen Raum auf einem zweidimensionalen Blatt Papier darzustellen, kann niemals zu einer korrekten und zugleich anschaulichen Darstellung führen. Die Darstellungen in den Schulbüchern sind an dieser Stelle – meiner Meinung nach – lediglich ein Kompromiss.
Bei jüngeren Kindern achten wir stets darauf, ihnen die Dinge begreiflich zu machen: Indem sie Wasser in echte Messbecher füllen und auf einer Skala den Wasserstand ablesen, bekommen sie eine erste Idee von den Begriffen „Liter“ und „Milliliter“. Führen sie kleine Experimente durch, lernen sie Zusammenhänge aus dem Bereich der Chemie oder der Physik kennen. Die Ansichten und Baupläne der Würfelgebäude werden nicht bloß im Mathebuch studiert, sondern mit echten Bauklötzen nachgebaut.
Doch je älter unsere Schülerinnen und Schüler werden, desto mehr sollen sie aus Büchern lernen. Die Möglichkeit, etwas durch das Begreifen, durch das Anfassen mit den eigenen Händen zu erlernen, kann so auf der Strecke bleiben. Was sehr schade ist. Denn natürlich sind die Schülerinnen und Schüler mit zunehmendem Alter eher in der Lage abstrakte Zusammenhänge zu erfassen, was aber nicht heißt, dass sie in diesem Alter schlechter lernen, indem sie die Dinge mit ihren Händen ausprobieren oder besser lernen, indem sie theoretische Texte lesen. Ganz im Gegenteil: Sie lernen durch die Arbeit mit ihren Händen, durch das Ausprobieren, Experimentieren und selber machen immer noch genauso gut und schnell wie früher. Die Möglichkeit, abstraktere Zusammenhänge oder komplexe theoretische Texte zu verstehen, ist lediglich hinzu gekommen. Sie ist wie ein sehr nützlicher Zusatz zu verstehen. Beim Lernen können diese beiden Ebenen miteinander kombiniert werden.
Die Entwicklung meines persönlichen 3D Koordinatensystems
Ich suchte also nach Wegen, um das Koordinatensystem mit drei Achsen begreifbar zu machen. Arbeitsblätter schloss ich direkt aus! Es musste etwas sein, was Raum einnimmt. Etwas, das der dritten Achse ebenso viel Gewicht zuschreibt, wie den ersten beiden Achsen. Die Schülerinnen und Schüler sollten es in die Hand nehmen können oder wenigstens auf irgendeine Art ausprobieren können.
So bastelte ich verschiedene 3D Koordinatensysteme. Im Internet fand ich sogar eine Anleitung! Doch diese erschien mir zu kompliziert. Immerhin wollte ich etwas schaffen, das den Schülerinnen und Schülern die Arbeit erleichtert und nicht noch zusätzliche Probleme erschafft. (Die dennoch äußerst interessante Anleitung ist hier zu finden. Darüber hinaus gibt es diverse Videos auf YouTube, die den Aufbau anschaulicher zeigen als eine geschriebene Anleitung.)
Meine persönliche Lösung hat auf den ersten Blick nichts mit einem 3D Koordinatensystem gemeinsam. Ja, und das ist tatsächlich auch die Schwäche daran: Die einzelnen Achsen oder Ebenen sind zunächst einmal unsichtbar. Erst, wenn alles zusammengeklebt ist, werden Achsen und Ebenen richtig sichtbar. Aber diese Einschränkung nehme ich hin, da eine simple Lösung aus meiner Sicht an dieser Stelle mehr wert ist als drei Ebenen, die sich einfach nicht zu einem Koordinatensystem zusammenstecken lassen wollen. Ich wollte schlichtweg weiteren Frust vermeiden und stattdessen Erfolgserlebnisse schaffen.
Bastel dir dein eigenes 3D Koordinatensystem
Möchtest du dir ein eigenes 3D Koordinatensystem basteln, so lade dir die folgende Vorlage herunter und drucke sie dreimal aus.
Schneide die neun Formen aus, falte sie an den etwas stärker gezeichneten Linien und klebe jede Form mit Hilfe der Klebelasche zusammen. So entstehen kleine, an drei Seiten offene Würfel, die innen kariert sind.
Sortiere nun denjenigen Würfel aus, der am schlechtesten gefaltet oder geklebt ist. Du brauchst ihn nicht mehr.
Klebe die anderen acht Würfel an den weißen Rückseiten zusammen, sodass ein 3D Koordinatensystem entsteht.
Wenn du magst, kannst du die Achsen farblich hervorheben und beschriften. Individualisiere dein 3D Koordinatensystem so, dass du gut damit arbeiten kannst.
Neben dieser karierten Version habe ich noch weitere Versionen entwickelt: Zum Beispiel eine Version, bei der die einzelnen Ebenen farblich hervorgehoben sind. Oder eine Version, bei der die acht Oktanten beschriftet sind. All diese Versionen findest du auf eduki in meinem Material „3D Koordinatensystem basteln – Vier Versionen„.
Die Arbeit mit dem 3D Koordinatensystem
Einen einzelnen Punkt mitten im Raum können sich die Schülerinnen und Schüler nun mit Hilfe des gebastelten Koordinatensystems in der Regel ganz gut vorstellen. Komplizierter wird es bei Geraden, Ebenen oder anderen geometrischen Formen. Hierzu sind weitere Hilfsmittel nötig.
Werde kreativ! Suche dir anschauliche Lösungen! Eine Gerade kann zum Beispiel durch einen Holzspieß oder eine Spaghetti dargestellt werden. Piekse kleine Löcher in die Ebenen des Koordinatensystems und stecke den Spieß oder die Nudel einfach hindurch.
Ganz wichtig finde ich an dieser Stelle, dass man den Schülerinnen und Schülern etwas Zeit gibt, um sich damit zu beschäftigen. Spielerisch können sie die Gerade an verschiedenen Orten platzieren. Die Gerade kann eine Achse nachfahren oder in einer Ebene liegen. Sie kann aber auch ganz frei im Raum verlaufen und alle drei Ebenen schneiden.
Diesen Schritt finde ich sehr, sehr wichtig! Hier können die Schülerinnen und Schüler etwas begreifen, so wie sie es früher in der Grundschule getan haben. Plötzlich können sie die Gerade anfassen und ihren Verlauf genau nachvollziehen. Sie können die Zeichnung im Mathebuch mit ihrer eigenen dreidimensionalen Darstellung vergleichen. Das Koordinatensystem kann dabei in den Händen gedreht und aus unterschiedlichen Winkeln betrachtet werden.
Der Schnittpunkt zweier Geraden wird im Raum plötzlich so viel deutlicher als in der Zeichnung im Buch oder auf dem Arbeitsblatt. Probiere es einfach aus!
Und was kommt danach?
Komplexere geometrische Körper wie Kugeln und Würfel können nur bedingt ins gebastelte Koordinatensystem eingefügt werden. Hier empfehle ich dann doch wieder den Übergang in die zweidimensionale Welt. Und zwar würde ich an dieser Stelle den Bildschirm dazu nehmen. Programme wie GeoGebra erlauben es, eine Kugel oder einen Würfel schnell und einfach in ein dreidimensionales Koordinatensystem einzufügen. Der große Vorteil gegenüber dem Mathebuch besteht darin, dass die gesamte Darstellung gedreht werden kann, sodass die Schülerinnen und Schüler sich die gesamte Szenerie aus allen Perspektiven ansehen können. (Für den einen oder anderen Schüler mag es an dieser Stelle hilfreich sein, das selbstgebastelte 3D Koordinatensystem währenddessen noch in den Händen zu halten.)
Auch hier ist ein Vergleich zwischen der Darstellung im Mathebuch und der Darstellung in GeoGebra toll! Auf diese Weise tasten sich die Schülerinnen und Schüler langsam heran und werden bald auch in der Lage sein, die Darstellungen im Buch oder auf dem Arbeitsblatt besser zu verstehen.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler verstehen, dass auf einer zweidimensionalen Fläche nur zwei Achsen gleichzeitig adäquat dargestellt werden können. Die Darstellung einer dritten Achse führt zu einem Verlust an Informationen über die Position der Punkte im Raum. Um den Eindruck von Tiefe zu erzeugen, werden in der Regel perspektivische Darstellungen verwendet. Diese können jedoch zu Verwirrung führen, da sie die tatsächlichen Abstände und Relationen zwischen Punkten verzerren. Wenn mehrere Punkte in der dritten Dimension nahe beieinander liegen oder sich sogar überlappen, kann es schwierig sein, sie auf einer zweidimensionalen Darstellung klar zu unterscheiden. All diese Probleme müssen den Schülerinnen und Schülern bekannt sein, wenn sie mit den üblichen Darstellungen im Mathebuch oder auf dem Arbeitsblatt arbeiten sollen!
Deine Lösung
Ich bin mir sicher, dass sich sehr viele Lehrerinnen und Lehrer auf der ganzen Welt bereits mit dieser Problematik auseinandergesetzt haben. Und mit Sicherheit hat der eine oder die andere bereits eine tolle Lösung gefunden, um den Schülerinnen und Schülern das Koordinatensystem mit drei Achsen anschaulich näherzubringen!
Ist dir eine solche Lösung bekannt? Falls du selbst Lehrerin oder Lehrer bist: Wie handhabst du es? Welche Hilfsmittel nutzt du? Ist GeoGebra Bestandteil deines Unterrichts?
Ich bin an dieser Stelle wirklich sehr an einem Austausch interessiert. Schreib mich gerne an. Per Mail oder ganz einfach per Kommentar unter diesem Artikel. Ich freue mich darauf!